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Berlin – Bei Aufbau und Umsetzung der vom Bundestag beschlossenen Stiftung Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) läuft es nicht rund. In einer Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestags wurde heute deutlich: Es wird eine Beratungslücke geben. Wie groß diese am Ende sein wird, da gehen die Meinungen auseinander. Und: Es liegt offenbar ein erstes Konzept vor, wie die Beratung der UPD künftig aussehen könnte.
„Aus unserer Sicht ist es unvermeidbar, dass es zu einer Beratungslücke kommen wird. Ich glaube, das bestreitet inzwischen auch niemand mehr“, sagte Thomas Moormann von der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) in der Anhörung. Er monierte, das Gesetzgebungsverfahren sei sehr spät eingeleitet worden. Erschwerend hinzu gekommen sei die „Blockadehaltung durch den GKV-Spitzenverband“. Das habe zwei bis drei Monate gekostet.
Moormann machte klar, dass viele formelle Dinge beim Aufbau der Stiftung noch nicht geklärt seien. „Wir können es uns nicht vorstellen, dass in den nächsten Wochen oder Monaten die Beratung in der neuen Stiftung losgehen kann“, sagte er. „Wir rechnen durchaus mit einer Beratungslücke, die bis zu einem Jahr und länger dauern kann.“
Martin Danner, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Selbsthilfe, stellte klar, dass bereits „keinesfalls zu erwarten“ sei, dass ein Stiftungsvorstand „vor Jahresende gefunden werden“ könne. Der Aufbau der Stiftung sei „sehr arbeitsintensiv“. Es sei ein Prozess, der erhebliche Ressourcen bei den Patientenorganisationen in Anspruch nehme.
Den Patientenorganisationen kommt die Aufgabe zu, dem Stiftungsrat Vorschläge für den Vorstand zu unterbreiten. Sie haben sieben Sitze im Stiftungsrat und sind damit selbst Teil der neuen UPD-Stiftung. Das 15-köpfige Gremium besteht daneben aus Vertretern der Ministerien, des Bundestags und des GKV-Spitzenverbands sowie aus dem Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Stephan Schwartze (SPD).
Der Vorstand ist für die operative Arbeit zuständig. Dazu gehört auch, Personal einzustellen. Stand der Dinge ist, wie der Anhörung zu entnehmen war, dass mittlerweile eine Beraterfirma damit beauftragt wurde, die beiden Vorstände zu suchen. Wie lange das dauern wird, ist aber offen. Diskutiert wurde daher auch über die Einstellung eines kommissarischen Vorstands, der aber im Gesetz nicht vorgesehen ist.
Gernot Kiefer, Vorstand des GKV-Spitzenverbands, wies heute die zeitlichen Einschätzungen der Patientenvertreter für den Aufbau der neuen Stiftung zurück. „Ich kann die hier genannte Dauer von einem Jahr nicht bestätigen“, sagte er. Das sei eine „gefühlte Einschätzung“ einiger Sachverständiger. „Ich würde mich sehr freuen, wenn das deutlich schneller geht.“ Er sei der Auffassung, dass man bis zum 1. April 2024 wenigstens in Grundstrukturen eine Erreichbarkeit und qualifizierte telefonische Beratung hinbekommen können müsse.
Kiefer machte auch deutlich, dass dies im Wesentlichen von den beteiligten Patientenorganisationen abhänge – und von dem Konzept, das diese vorgelegt hätten. Das soll in der ersten Stiftungsratssitzung in der vergangenen Woche erstmals thematisiert worden sein.
Outsorcing-Modell vorgesehen
Kiefer sprach dabei von einer Art „Outsourcing-Modell“, das den Patientenorganisationen vorschwebe. Demnach soll die Stiftung an bereits bestehende Patientenberatungsstellen entsprechende Aufträge für die Beratung der UPD vergeben. Übersetzt könnte das heißen, dass die Stiftung dann in Teilen selbst gar nicht die Beratung übernehmen würde, sondern Aufträge für die Beratung weitergäbe – an bestehende regionale Patientenstellen.
Das würde nicht nur bedeuten, dass künftig zum Beispiel die Verbraucherzentrale Bundesverband, die BAG Selbsthilfe oder andere Patientenorganisationen von der Stiftung Mittel erhalten würden, um die Beratung der UPD quasi mitzumachen. Die Patientenorganisationen hätten somit auch ein Eigeninteresse, die bestehenden Beschäftigten und langjährigen Berater der derzeitigen UPD gGmbH nicht zu übernehmen – und sogar die Beratungslücke zu vergrößern.
Zur Erinnerung: Derzeit liegen mehr als 80 Kündigungsschutzklagen beim Arbeitsgericht Berlin. Die Klagen dürften gegen die neue Stiftung UPD erweitert werden. Dabei geht es um die Frage, ob ein Betriebsübergang vorliegt oder nicht. Je größer die zeitliche Beratungslücke zwischen Ende der UPD gGbmH und der Aufnahme der Beratung durch die UPD-Stiftung wird, desto eher wird von den Arbeitsgerichten ein Betriebsübergang von der UPD gGmbH zur UPD-Stiftung nicht mehr angenommen.
Erklärung für fehlendes Übernahmeangebot
Kiefer sagte heute in der Anhörung, er könne nachvollziehen, dass die Mitarbeiter der UPD gGmbH klagten. Natürlich könnten die „Träger der zukünftigen Stiftung“ pragmatisch vorgehen und dem qualifizierten Personal der heutigen UPD gGmbH eine Brücke bauen, warf er ein. Mit den Trägern meint er die beteiligten Patientenorganisationen.
Dessen Konzept, so Kiefer, sehe aber so aus, dass eine Beratung wohl eher in einem dezentralen regionalen Vergabeprinzip von Patientenberatungsorganisationen stattfinden solle. Da passe es auch, dass keine Konstruktionen für eine Übernahmen der jetzigen Mitarbeiter gemacht würden.
Kiefer fügte hinzu: „Wer die Kapazitäten der heutigen Berater ernsthaft will, muss auch mal so etwas wie ein Signal an die Mitarbeiter geben. Aber das Signal habe ich bisher nicht gehört, aber es kann ja noch kommen.“
Der Geschäftsführer der BAG Selbsthilfe, Danner, führte aus, es sei ja schon ausgeführt worden, dass die Patientenorganisationen ein Konzept ausgearbeitet hätten. Für dessen Umsetzung brauche es „auch Berater mit guter Erfahrung“. Es sei zu bejahen, dass es ein Arbeitsfeld für diese geben könne, so Danner. Man sei „mit Nachdruck daran, diese Aufbauarbeit zu leisten“.
Das Konzept selbst müsse aber durch den Vorstand umgesetzt werden. Wenn man die UPD künftig bei allen Bürgerinnen und Bürgern bekannter machen wolle, brauche man eine größere Dimensionierung, so Danner. Aus seiner Sicht muss daher die Vernetzung mit anderen Beratungsangeboten ausgeweitet werden. Die Patientenorganisationen befassten sich schon lange damit, wie eine patientenzentrierte Versorgung ausgestaltet werden könne.
Moormann von der vzbv betonte, dass die Patientenorganisationen nicht über die Mitarbeiterfrage entscheiden könnten. Das sei Sache des Stiftungsvorstands. Aber dass es keine Übergangslösung geben werde, sei „ein großes Drama“. Alle Patientenorganisationen seien sich einig, dass die Kompetenz hätte erhalten werden müssen. „Wenn das im Rahmen der Struktur möglich ist, versuchen wir das natürlich“, so Moormann. Er stellte aber auch fest: Langsam scheine sich das Zeitfenster zu schließen und die derzeitigen Mitarbeiter könnten ja nicht ein halbes Jahr warten, bis die Beratung wieder losgehe.
Danner machte deutlich, dass ein Träger, der nicht aufgebaut sei, auch kein Personal beschäftigen könne. Es gehe nun darum, „die Beratungslücke klein zu halten“. Er könne sich vorstellen, im Rahmen eines eigenen Projektes der BAG Selbsthilfe, bei dem es um die Telefonberatung der Selbsthilfe geht, dieses Angebot auszubauen.
Rolf-Dieter Becker, Betriebsrat der UPD gGmbH, stellte heute klar, dass die Frustration bei den derzeitigen Beschäftigten der UPD groß ist. Aber einige Mitarbeiter seien durchaus bereit, ihre Beratungstätigkeit in der Stiftung fortzuführen. Becker kritisierte auch, dass sich die Mitarbeiter nicht unterstützt fühlten. So habe es nur wenige und nicht zielführende Kontakte zum Bundesgesundheitsministerium gegeben. Von einer möglichen Übergangslösung, die man zugesagt hätte, sei nichts zu sehen.
aerzteblatt.de
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Der Bundestagsabgeordnete der CDU, Hubert Hüppe, zeigte sich nach der Anhörung entsetzt. „Für mich ist erschreckend, dass immer klarer zu Tage tritt, was für eine lange UPD-Beratungslücke auf uns zukommt“, sagte er dem Deutschen Ärzteblatt. „In der Anhörung war heute die Rede von einem Jahr. Das wäre fatal für die Patienten und die Bekanntheit der UPD.“
Hüppe äußerte auch rechtliche Bedenken hinsichtlich einer Notlösung, einen kommissarischen Vorstand zu installieren. „Das sehe ich nicht im Gesetz“, sagte er.
„Das ganze Verfahren wirkt chaotisch“, sagte Hüppe. Den enormen Zeitdruck hätte man vermeiden können, indem man die bestehende UPD nochmal um ein Jahr verlängert hätte. Dagegen hatte sich die Ampelkoalition bis zuletzt gesperrt. © may/aerzteblatt.de